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Junge Radiohörer schwinden: Eine 21-Jährige rechnet mit Medien ab

Quelle: Pixabay

Was macht Radio besonders? Ganz einfach: das Wir-Gefühl. Die Gleichzeitigkeit. Das Wissen: nicht nur ich, auch tausende, millionen Andere teilen dieses Erlebnis gerade mit mir. Ob Freunde oder Fremde, wir alle singen im gleichen Moment zur selben Musik, alle hören dieselben Neuigkeiten. In der Vergangenheit war dieser Effekt noch viel stärker, doch heute hat Radionutzung für junge Leute keinen Reiz.

Für frühere Generationen war Radio ein Wunder der Technik, eine neue Tür zum Rest der Welt – denn das Weltgeschehen zog plötzlich in die eigenen 4 Wände ein. Unsere Praktikantin Franciska Rhomberg ist 21, ein Digital Native und rechnet mit dem Medium Radio und ihrer Generation ab.

Die goldenen Zeiten für Radio sind womöglich vorbei. In der jungen Welt scheint Radio langsam, aber sicher auszusterben. Das Internet bietet grenzenlose Möglichkeiten, aber ein unendlicher Konkurrenzstrom droht den ehemals alleinbesetzten Markt zu überschwemmen. Trotz Apps und Onlineangeboten scheint das Radio nur holprig Richtung Zukunft zu zuckeln – junge Leute haben eine niedrige Radionutzung. Aber warum ist das so? Wie kann es sein, dass gratis Radio-Apps um jeden Download kämpfen, während Spotify und Apple Music als zahlungspflichtige Grundausstattung akzeptiert werden? Welche Bedürfnisse der Digital Native Generation werden nicht erfüllt – und gibt es womöglich Schritte in die richtige Richtung?

Das gemütliche Bubble-Leben

Wenn ich Spotify öffne, lande ich in meinem persönlichen Musikparadies. Personalisierte Playlists und vorsortierte Vorschläge sind exakt auf meine Erwartungen zugeschnitten. Nach vielen gemeinsamen Jahren ist die Zufriedenheitsgarantie hoch: jeder Klick optimiert meinen Algorithmus, mittlerweile kennt er mich besser als ich mich selbst. Er weiß, was mir gefällt, schon lange, bevor ich selbst es wissen kann – meine Bubble ist ein komfortabler, weicher Ort ohne Überraschungen. Ich bounce vor mich hin, es ist reibungslos, unkompliziert. Aber gleichzeitig fehlt etwas. Wirklich Neues, völlig fremdartige Inspirationen, laufen mir kaum über den Weg.

Die gemütliche, maximal optimierte Komfortzone – junge Menschen leben in einer Realität, die für ältere nicht begreiflich ist. Während sich unsere Eltern und Großeltern auch ohne Internet orientieren können, ist das für uns unvorstellbar. Laut einer Studie von Lenstore verbringt der durchschnittliche Europäer bis zu 10 Stunden täglich im Internet. In Österreich beträgt der Mittelwert 5,35 Stunden – auch das ist ein grobes Drittel unseres wachen Lebens. Die Frage ist: was passiert während dieser Zeit? Sind wir eine offene, diskursfähige Generation, oder lullt uns die Bubble langsam ein?

Deutscher Podcast PreisQuelle: Pixabay
Bie jungen Menschen wird Podcast-Werbung viel positiver aufgenommen.

Generation Tunnelblick: Radionutzung als Fremdwort für junge Leute

In prä-digitalen Zeiten waren klassische Medienformate ein fixer Pfeiler des öffentlichen und persönlichen Lebens. Das soll nicht heißen, dass alles optimal war – aber immerhin gab es die Möglichkeit, sich durch verschiedene Quellen eine differenzierte Meinung zu bilden. Ob Print, TV oder Radio – Meinungsvielfalt war eine fix verankerte Vorgabe. So konnten neue Ideen und Perspektiven regelmäßig in die Köpfe der Menschen finden – theoretisch zumindest. Natürlich war es etwas unpraktisch: es kommt selten vor, dass jeder Beitrag einer Nachrichtensendung ansprechend ist. Aber wenn 2 von 6 Beiträgen etwas im Rezipienten bewegen, ist viel gewonnen.

Diese Pluralität ist bei den digital geprägten Jungen abhandengekommen. Wir legen uns in die Hände des Algorithmus. Wir kennen unsere Bubble – und wir lieben sie! Konfrontation und Herausforderung sind wir nicht gewohnt – was wir mögen, ist berieselt, beliefert und bestätigt werden. Newsquellen wählen wir nur, wenn sie mit der eigenen Weltsicht übereinstimmen. Jeder macht sich die Welt, wide-wide-wie sie ihm gefällt – der Rest wird gelernt ignoriert. Filterbubbles machen junge Menschen zur unreflektierten, manipulierbaren Augen-zu-Masse – eine extrem gefährliche Entwicklung. Ohne ausgewogene Informationsangebote kann es keine mündigen Bürger, keine funktionierende Demokratie geben. Radio & Co müssen den Wandel schaffen und wieder in die Sphäre der Jungen eindringen, um Bildung und Reflexion zu gewährleisten.

Alte Muster, neue Bedürfnisse: junge Leute und niedrige Radionutzung

Das Hören an sich ist nicht aus der Mode. Laut der deutschen Mediaanalyse 2021 feiern Audioinhalte ein nie gekanntes Hoch: 2021 nutzten rund 94% der Bevölkerung regelmäßig mindestens ein Angebot. Die großen Gewinner unserer Zeit sind Podcasts: 41% der werberelevanten Zielgruppe hören regelmäßig dieses Format. Seit 2020 ist diese Zahl um satte 10 Prozentpunkte angestiegen. Audio ist also nicht tot – im Gegenteil, wir erleben eine regelrechte Auferstehung von echten Wortinhalten. Wie kann Radio auf diesen Zug aufspringen?

Vielleicht muss sich Radio neu erfinden, wieder auf echte Inhalte setzen. Mut für Wortanteile haben. Tabula rasa machen, um wieder ins Leben der jüngsten Generationen einsteigen zu können. Die Lage muss mit frischen Augen analysiert werden – alte Muster gehören rücksichtslos über Bord geworfen und neu erfunden. Zwischen Jung und Alt liegen Welten – auch in der Produktentwicklung müssen diese tiefen Gräben aufgegriffen werden. Mit dem Schwinden älterer Generationen ist das Formatradio in der herkömmlichen Form mit Inhaltsverknappung zweifellos dem Untergang geweiht: lineare, synchrone Angebote können flexiblen, personalisierten Anbietern niemals Konkurrenz machen. Was hermuss, sind frische Ideen, Mut und viel Feingefühl.

Instagram will load in the frontend.

Praktikantin Franciska Rhomberg rechnet mit dem Medium Radio ab.

Radio von Morgen: mobil, persönlich, flexibel

Schritte in Richtung Zukunft gibt es bereits. Das Schwinden der breiten Massenprogramme bringt Erfolge für Nischenprogramme und Side Channel – Projekte mit sich, durch die junge Leute wieder eine höhere Radionutzung entwickeln. Neben Ö1 geht FM4 als zweiter Sieger des österreichischen Radiotest 2020 hervor: der ORF-Sender für eine „weltoffene, stilbewusste, popkulturinteressierte“, tendenziell jüngere Zielgruppe. Auf Bundesebene konnte ein kleiner, aber erwähnenswerter Zuwachs von 0,3% Reichweite erzielt werden. Passend zur Zielgruppe hat FM4 ein starkes Online-Angebot: die FM4-App beinhaltet zahlreiche On-Demand und Podcast-Angebote. Sendungen und Musik-Streams der letzten 7 Tage sind flexibel aufrufbar, ein Song nach fremdem Geschmack kann problemlos übersprungen werden.

Ich beschloss also, in das neuartige Angebot hinein zu schnuppern – und bin sehr positiv überrascht. Ich kann flexibel zwischen Musik, Nachrichten und anderen Content-Angeboten hin und herspringen. Das Motto „Alles kann, nichts muss“ gibt mir als Digital Native ein vertrautes, positives Gefühl – aber gleichzeitig steht eine Redaktion hinter den Inhalten, die sicherstellt, dass ich keine ungeprüfte Meinungsmache konsumiere. Ein großer Vorteil: FM4 verknüpft Musikpräferenzen und recherchierte Inhalte in derselben App. Beides ist nur einen Klick voneinander entfernt. Durch die Unmittelbarkeit ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Hörer auch auf den Geschmack des Contents kommen.

Das ist wohl die Zukunft: gut funktionierende Komponenten aus beiden Welten, neu zusammengesetzt. Personalisierte Musik-Streams, oder zumindest ein gewisses Mitbestimmungsrecht, die parallel zu einem filterbaren Unterhaltungs- und Nachrichtenangebot existieren. Individuelle Färbungen ergänzen redaktionelle Qualität. Das Wir-Gefühl rückt dann wohl in den Hintergrund – aber dafür können auch digital geprägte Herzen, wie meines, wieder höher schlagen.

Franciska Rhomberg