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Warum wir uns über Ärzte schrecklich ärgern – Eine Warteschleife

Die Sonne steht tief und beleuchtet die Bergkulisse in einem romantischen orangeroten Licht, das einem das Herz aufgehen lässt. Ja, fast höre ich in unserem inneren Ohr einen Take That-Warteschleifen-Song, der offenbar diese Atmosphäre unterstreichen soll. Aber gerade als ich drüber nachdenken will, dass Patience ja im Deutschen gar nicht Patient heißt, sondern Geduld, und ob das dann überhaupt passend ist… vernehme ich einen gellenden Schrei. Der Schrei ist in der Bergwelt noch nicht mal ganz verhallt, fährt ein Geländewagen in Richtung dieses Schreis, ein Mann mit einer Ärztetasche springt aus dem Fahrzeug – und irgendwie füllt sich die Bergwelt mit noch ein bisschen mehr Licht.

Der perfekte Link zur Realität

Take That besingen die Geduld, die der Patient dieser Bergdoktor-Folge nicht haben musste. Mittlerweile ist es 14 Uhr und meine Geduld wird mehr als auf die Probe gestellt. Gerade eben hat nämlich die Praxis des Facharztes geöffnet, dessen Dienste ich sehr gerne in Anspruch nehmen würde. Es tutet. Es tutet ganze 2 Minuten lang – langsam wünsche ich mir diesen Patience-Song, der mir beim Comeback der Band 2006 schon zu fade war. Aber jetzt würde sogar dieser Titel mir ein wenig die Zeit vertreiben – so ärgere ich mich einfach nur über die Vorzimmerdame, die vermutlich in einer Seelenruhe neben dem läutenden Telefon sitzt. Wie oft habe ich genau diese Situation schon im Warteraum eines Arztes wahrnehmen müssen. Da hat man schon als Patient wirklich die Lust, selbst ans Telefon zu gehen. Vielleicht spiegelt der Bergdoktor-Titelsong nur die Wirklichkeit wider?

Niemals aufgeben, niemals kapitulieren

Und so bleibe ich in der Warteschleife, denn irgendwann wird wohl jemand abheben. Es sind schließlich Ordinationszeiten. Oder doch nicht? Vielleicht haben sich die Ordinationszeiten durch Corona geändert? Aber auf der Webseite stand davon gar nichts.
Endlich, ein Knacksen in der Leitung – es hebt jemand ab! Denkste. Nach dem Knacksen ein unerbittliches Dauertuten, dass mir signalisieren soll, dass die Verbindung unterbrochen wurde. Die haben doch nicht etwa abgehoben und aufge… Neeeeein. Das macht doch niemand? Oder doch?
Ich lasse mich doch nicht abwimmeln. Ich bin doch der Kunde Schrägstrich Patient. So kann man doch nicht mit mir umgehen. Ich rufe also nochmal an.

Mit dem Summerton wird es mir zu bunt

Tut tut tut tut tut. Wie, Besetztzeichen? Ich war doch gerade eben noch in der Leitung. Ich hatte doch ein Freizeichen. Und jetzt telefonieren die mit jemand anderen? 10 Minuten! Ich hab schon 10 Minuten gewartet und darum gekämpft, überhaupt erstmal mit jemandem sprechen zu können. Vom Onkel Doktor, der nur durch einen Schrei gerufen kommt, wage ich ja gar nicht zu träumen – ich will einfach nur eine Sprechstundenhilfe, die mir einen Termin gibt. Ich bin genervt und merke wie ich ungehalten werde – es interessiert nur niemanden, weil ja niemand mit mir spricht. Was mich noch wütender macht.

Aaaaaah! Ich befinde mich in einem Teufelskreis

Während ich also nochmal die Nummer der Ordination wähle, male ich mir aus, wie ich meinen Ärger kundtue. Es ist noch immer besetzt. Haben die nur eine Leitung? Oder was ist denn da eigentlich los? Wie wurscht kann einem das denn sein, bitte? Ich will nicht ständig ein Besetztzeichen hören – ich will bitte zumindest einmal „Für Elise“ hören. Zumindest das. Von mir aus auf der Blockflöte. Nur kein Getute mehr. Aus Ärger und Wut wird nach 40 Minuten nun Verzweiflung und Müdigkeit.

Es zählt der Mensch…

…weil der eine E-Card hat. Das sollte das Motto jedes Arztes sein. Denn wer eine E-Card hat, der bringt dem Onkel Doktor das nötige Kleingeld, um seine Rechnungen zu bezahlen. Mit mir hat dieser Arzt kein Geld verdient, denn ich habe mir einen neuen Facharzt ergoogelt, bei dem habe ich 10 Minuten in einer Warteschleife verbracht. Ich könnte hier jammern auf hohem Niveau, weil es Telefonmusik war. Aber ich wurde freundlich begrüßt und wusste somit, dass die Praxis besetzt ist, ich musste nicht unzählige Male erneut anrufen, und nie kam während der Warteschleife das Gefühl auf, dass die Ordinationshilfe vielleicht neben dem läutenden Telefon sitzt.

Patient mit Warteschleife gerettet! Wir haben Geld verdient!

Ja, ich musste in der Leitung warten. Aber sonst musste ich nichts tun, außer der freundlichen Stimme zu lauschen, und ein bisschen schadenfroh bin ich auch, denn ein altes oststeirisches Sprichwort sagt:  „Wer sport am folschen Fleck – dem rennen schnö die Kunden weg.“ In diesem Sinne: Unterhaltet eure Kunden, wenn ihr sie schon warten lassen müsst, aber nervt sie nicht mit eurer blöden Einstellung „Der wird scho wieder anrufen, wenn er was will…“. Das mach ich nämlich nicht. Nie wieder.

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